Die Kattowitzer Christkönigskathedrale in den Jahren 1927 bis 1955

Maik Schmerbauch

Die fertige Kathedrale im Gosc Niedzielny, 16.10.1955

Oberschlesien und das Kattowitzer Bergbau-Industrierevier im östlichen Teil Oberschlesiens gehörten bis 1922 zur preußischen Provinz Schlesien als Teil des Deutschen Reiches und des alten und großen deutschen Bistums Breslau. 1922 wurde Ostoberschlesien aufgrund eines separaten Völkerbundentscheides im Mai 1922 an Polen abgetreten. Ostoberschlesien wurde Teil der politischen polnischen Wojewodschaft Schlesien im Süden des Landes. Hier wohnten über eine Million Polen und Deutsche, die sich selbst oft nur als Oberschlesier verstanden, was in der gesamten Zwischenkriegszeit 1922-1939 aufgrund der Nationalisierungstendenzen auf beiden Seiten zu starken alltäglichen Konflikten im Zusammenleben führte. Nach der Abtretung 1922 wurde das Gebiet zu einer Apostolischen Administratur mit Sitz in Kattowitz erhoben, aus der 1925 das neue polnische Bistum Kattowitz entstand.

Erster Apostolischer Administrator 1922 und 1925 dann erster Bischof von Kattowitz 1925 wurde August Hlond. Nach 1922 gab es deshalb zügig Planungen, eine gewöhnliche Bischofs-Residenz für die Diözesanadministration in Kattowitz zu errichten, so dass neben den notwendigen kirchlichen Verwaltungsbehörden auch eine eigene Bischofskirche entstehen sollte. Es wurde 1924 ein geeigneter Bauplatz für die Gebäude der aufzubauenden Diözesanverwaltung und eines möglichen Domes gefunden. Dafür wurde ein weiträumiger Platz in der noch wenig bebauten Kattowitzer Südstadt nicht weit vom Stadtzentrum erworben, auf dem eine ehemalige Ziegelei mit vielen Baracken gestanden hatte und ein Teich lag. Der Platz mit über 60 000 m² Land konnte für 130 000 Dollar gekauft werden. 1925 hatte sich der Bischof anstelle des Patroziniums „Heiligstes Herz Jesu“ für ein Kathedral-Patronat „Christ König“ entschieden. Für den Bau der Bischofskirche wurde 1927 ein Dombaukomitee errichtet, dem der Bischof von Kattowitz vorstand. Im November 1924 kam es zu einem Preisausschreiben für die Architektur einer neuen Kathedrale, für das über 37 verschiedene Projekte eingereicht wurden. Das Ausschreiben gewannen die beiden Krakauer Architekten Zygmunt Gawlik und Franciszek Maczynski. Ihr Modell der Kathedrale entsprach dem Typus des Neoklassizismus, der in den 1920er Jahren in vielen Ländern Europas maßgeblich für architektonische Vorhaben wurde. Am 6. Februar 1927 fand das Pontifikalamt zum Beginn des Dombaus durch den neuen Kattowitzer Bischofs Arkadiusz Lisiecki statt. Gleichzeitig rief er in einem Hirtenbrief „Auf zum Dombau“ in beiden Sprachen alle polnischen und deutschen Katholiken zur Mitarbeit an der neuen Kathedrale in Kattowitz auf. Die Finanzierung gelang in den Folgejahren stockweise, v.a. durch öffentliche Gelder und Spenden der Gläubigen. Trotzdem hatte die schwierige Wirtschaftslage seit 1929 den Baubeginn der Kathedrale merkbar aufgehalten. Die Kathedrale sollte in ihrer Grundgestalt ein Quadrat vom 53 x 53 Metern bilden. In der Mitte des Quadrats sollten acht Pfeiler die Kuppel tragen. Angeschlossen werden sollten zwei große Sakristeien und eine Kapelle für die Pfarrfunktionen sowie ein Vereinshaus mit Wohnräumen. Von der Hauptstraße sollte den Gläubigen eine hohe Freitreppe den Weg in die Kathedrale führen. Unter der Kirche wurde eine große Krypta eingeplant. Das Presbyterium sollte eine Länge von 26 m und eine Breite von 17,5 m einnehmen und als eigene Pfarrkirche dienen². Vom Ordinariat aus sollte das Presbyterium durch einen Eingang zugänglich sein. Die Kuppel sollte 95 Meter hoch werden. Als Baumaterial wurde Sandstein vorgesehen.

Grundriss, abgedruckt im Sonntagsboten, 24.4.1938

Von 1928 bis 1932 war es trotzdem gelungen, das Fundament auszuschachten und bis zur Höhe des Fußbodens zu legen. Aber erst im Mai 1934 kam es zu einer sich ausweitenden Tätigkeit am Bauplatz. Viele Gläubige hätten sich auch freiwillig gemeldet, den Kathedralbau durch kostenlose Arbeit zu unterstützen. So hatten der Bischof und das Dombaukomitee den Plan gefasst, den vielen arbeitslosen Gläubigen im Kattowitzer Gebiet durch den Bau an der Kathedrale eine, wenn auch kostenlose, Arbeitsmöglichkeit zu geben. So wurden im Juni 1934 über einhundert arbeitslose Arbeiter am Bau der Kathedrale aktiv. Der Bau der Kathedrale sollte aus Sicht des Bischofs ein „Denkmal unserer Not und unseres Opfers“ in dieser schweren Zeit sein. Im April 1938 waren die Mauern des Presbyteriums errichtet, so dass dieses bereits als „provisorisches Gotteshaus“ für über 2500 Gläubige mit 600 m² Fläche genutzt werden konnte. Acht Kuppelpfeiler waren mit einer Höhe von 5,5 m und mit 4 m Breite errichtet. Die gewaltigen Fundamente über dem Erdboden waren sechs bis acht Meter hoch, dafür wurden 6000 m³ Beton gelegt. Am Pfingstmontag 1938 wurde das Presbyterium in einem feierlichen Akt eingeweiht.

Kattowitz wurde im September 1939 von der Wehrmacht zügig besetzt und wieder dem Reich angegliedert. Schon bald setzte auch hier der radikale Kirchenkampf der Nationalsozialisten gegen die Katholische Kirche ein. So war während des gesamten Krieges an eine Fortführung der Bauarbeiten nicht zu denken. Nach dem Krieg fingen die Arbeiten in langsamen Schritten an. Im Jahr 1947 übernahm der Pfarrer Rudolf Adamczyk das Vorhaben wieder in den Angriff. Offiziell wurde erst im Juni 1948 der Bau wieder begonnen. Im Sommer 1950 waren die Arbeiten auf einem Höhepunkt. Die Kapellen wurden ausgebaut, der Haupteingang geformt, Säulen gesetzt, die Außenwände gefertigt und weiter an der Krypta gearbeitet. Ermöglicht wurde das vor allem durch die Spenden. Die Kommunisten wollten keinen zentralen Sakralbau und forderten eine Absenkung der ursprünglichen Kuppelhöhe von 95 m. Im Dezember 1952 wurde ein spezieller Rat gebildet, der die Aufgabe hatte, den Bau der Kathedrale zu Ende zu führen. Die polnischen Behörden drängten dem Bistum im Frühjahr 1954 den Breslauer Priester Jan Piskorz als Kapitelsvikar auf, der die Planungen für den weiteren Ausbau übernahm. Die Architektur des Innenraumes wurde maßgeblich von dem Innenarchitekten Mieczyslaw Krol und dem Künstler Jerzy Kwiatkowski entworfen. Im September 1955 fanden in der Kathedrale zum ersten Mal Konsekrationsweihen von Kattowitzer Seminaristen statt. Am 30. Oktober 1955 wurde nach über 28 Jahren Bauzeit die Kattowitzer Christkönigskathedrale feierlich eingeweiht. Auf ihrer Fassade über dem Eingang trägt sie bis heute den markanten Spruch: „Soli Deo honor et gloria“ – Nur Gott gebührt Ehre und Ruhm. Die Bau- und Kirchengeschichte der Kattowitzer Christkönigskathedrale war erkennbar eine dramatische, aber auch hoffnungsvolle Geschichte der Kattowitzer Kirche und Oberschlesiens, und dazu ein Spiegelbild der Geschichte zwischen Deutschland und Polen unter den Diktaturen des 20. Jahrhunderts.

Hirtenbrief Adamskis im Sonntagsboten, 17.4.1938