„Also in Gottes Namen, dann eben so wie Sie wollen!“ Akteurskonstellationen im Pfarrkirchenneubau um 1900

Fanny Stoye M.A.

Ein Pfarrkirchenneubau galt lange als Ergebnis der künstlerischen Leistung eines Architekten und fester Vorgaben der Amtskirche für die jeweilige Konfession. Tatsächlich stand hinter einem Neubau um die Jahrhundertwende jedoch eine bislang unterschätzte Vielfalt an Akteuren. Zahlreiche Mikrostudien werfen ein neues Licht auf bislang unterschätzte Kräfteverhältnisse und marginalisierte Gruppen jenseits der Amtskirchen oder der Architekten. Insbesondere trifft das auf die Gemeinden zu, denn deren Kirchenvorständen oblag das Bauherrenrecht.

Die im Beitrag vorgestellten Recherchen zu Neubauprojekten evangelischer und katholischer Gemeinden (sowohl in der Diaspora als auch innerhalb des konfessionellen Mehrheitsgebietes) bis ca. 1914 haben eine bislang kaum beachtete „Gemengelage“ und mitunter heftig geführte Aushandlungsprozesse zu Tage gefördert. Sie zeigen, dass sich in einen Neubau verschiedene Interessen, architektonische Vorlieben und Vorstellungen von „Modernität“ einschrieben. Die Architektur einer Pfarrkirche ist damit oft als ein Kompromiss und keineswegs lineares, baukünstlerisch oder liturgisch motiviertes Ergebnis zu verstehen.