Kirchenbau und Kirchenkunst 1933 – 1945

Zeitspezifische Ästhetik und ideologische Prägungen
Beate Rossié

Der Vortrag begann mit der Erkenntnis, dass der Kirchenbau in der NS-Zeit – entgegen früheren Einschätzungen – nicht zum Erliegen kam. Über tausend Kirchenneubauten und kirchliche Umgestaltungen ermittelte die Vortragende im Zuge ihrer bundesweiten Recherche. Beim Bau von Kirchen in der NS-Zeit wurden alle damals verbreiteten, bereits vor 1933 entstandenen Architektur-Ansätze umgesetzt: Neoklassizistische Anklänge,der „Heimatschutzstil“, der Rückgriff auf eine mittelalterliche Formensprache und zunächst noch die Neue Sachlichkeit. Auch für die Kirchenkunst ließ sich eine Phase großer Produktivität feststellen. Zeitspezifische und ideologische Prägungen kamen in der Heroisierung christlicher Motive und vereinzelt auch der Wiedergabe nationalsozialistischer Propagandamotive und Symbole zum Ausdruck. Der Vortrag führte verschiedene Beispiele aus dem Gebiet östlich der Elbe auf, so das propagandistische Relief einer „deutschen Familie“ am evangelischen Magdeburger Gemeindehaus St. Matthäus und die mit einem Hakenkreuz versehene, 2017 entfernte Glocke der Spandauer Wichernkirche. Das Bildprogramm der 1933 bis 1935 von Curt Steinberg erbauten Martin-Luther-Gedächtniskirche in Berlin-Mariendorf vereint nahezu alle Motive NS-geprägter kirchlicher Kunst. Neben den erhaltenen Darstellungen des heroischen Christus, der „deutschen Familie“ und verschiedener SA-Männer waren hier bis 1945 auch zahlreiche NS-Symbole und ein Hitlerportrait zu sehen. Abschließend wurden die Hintergründe skizziert. Deutschlandweit gingen NS-belastete Darstellungen häufig – allerdings nicht ausschließlich – auf die „Deutschen Christen“ zurück. Selbst der Staat trat in manchen Fällen als Förderer in Erscheinung.


Kanzel-Relief mit der Darstellung eines SA-Manns in der Martin-Luther-Gedächtniskirche (Ausschnitt),
Foto: Mechthild Wilhelmi, 2008